studientag

planen und bauen im grenzraum

baugeschichte und denkmalpflege
13./14. november 2014, 14.00 uhr, SR 6 (raum 119)
kossel, tragbar, weber

Die europäische Stadt ist seit jeher unmittelbarer Ausdruck gesellschaftlicher und politischer Verhältnisse gewesen; oft hat sie erst im Widerstreit partikularer Interessen ihre heutige Gestalt gewonnen. Dies gilt besonders für den Zeitraum von etwa 1850, als im Kontext des Historismus auch nach dem Ausdruck nationaler Identitäten in Architektur und Städtebau gefragt wurde, bis nach 1945, als nahezu überall in Europa die traditionsorientierte Architektur durch eine Moderne internationaler Prägung marginalisiert wurde.

Im selben Zeitraum hatten zahlreiche europäische, in Grenzräumen gelegene Städte als Folge internationaler Konflikte die nationale Zugehörigkeit gewechselt; zu nennen sind hier die Grenzräume Schleswig, Elsass und Lothringen, Posen-Westpreußen, Südtirol und Trentino sowie Slowenien.

Parallel dazu entwickelte sich in Europa der Städtebau als eine eigenständige wissenschaftliche Disziplin, und auch wenn sich diese Entwicklung in den einzelnen Ländern teils erheblich unterschied, gab es doch einen intensiven Austausch und eine gegenseitige Beeinflussung – trotz der Kriege der europäischen Staaten. Freilich wurden diese Transferprozesse lange Zeit zugunsten einer national dominierten Architektur- und Stadtbaugeschichtsforschung übersehen, einzig der deutsch-französische Grenzraum wurde bislang vertiefend bearbeitet. Dabei tritt immer deutlicher zu Tage, dass gerade die Grenzregionen für diese Transferprozesse eine Schlüsselrolle einnahmen.

Wie wirkt sich also der Wechsel der nationalen Zugehörigkeit auf die Planungs- und Bautätigkeit aus? Wie ändern sich Planungs- und Bauprozesse? Mit welchen Bauten und städtebaulichen Anlagen repräsentiert sich die erobernde Nation, wie sucht sie ihre Herrschaft zu legitimieren? Welchen Überlieferungen und Traditionen entnimmt sie die dazu benötigten Elemente und Symbole und wie werden diese ausgewählt und (um)interpretiert? Was geschieht mit der bestehenden, traditionellen Kultur und Identität eines Grenzraums nach dem Wechsel der nationalen Zugehörigkeit?

Interessant erscheint in diesem Rahmen der Vergleich der europäischen Grenzräume: Lassen sich ähnliche Entwicklungen in den Veränderungen der Planungs- und Bauprozesse feststellen? Kommt Bozen für die österreichisch-italienische Grenzregion etwa eine ähnlich zentrale Rolle zu wie Straßburg für den deutsch-französischen Grenzraum? Wie gehen die Grenzräume heute mit ihrem durch nationale Ideologien aufgeladenen und daher oftmals schwierigen architektonischen Erbe um? Gerade im Hinblick auf die 2019 sich jährende Zugehörigkeit Südtirols und des Trentino zu Italien stellen diese Fragen eine vielversprechende Perspektive dar.

Der Arbeitsbereich Baugeschichte und Denkmalpflege möchte zu diese Fragestellungen im Rahmen eines Studientags diskutieren. Ziel ist es, neben der stärkeren Vernetzung der unterschiedlichen Forschungsansätze tiefere Erkenntnisse zu den wechselseitigen Transferphänomenen in den europäischen Grenzräumen zu gewinnen, geeignete Forschungsmethoden und -instrumente zu diskutieren und nicht zuletzt einen Beitrag zu leisten für die Entwicklung eines stärkeren öffentlichen Bewusstseins für dieses – im Wortsinne – gemeinsame europäische Kulturerbe.

Ein Folgetreffen ist für 2015 in Straßburg geplant.

Der Studientag ist öffentlich. Um Anmeldung zu der (kostenpflichtigen) Exkursion unter baugeschichte@uibk.ac.at wird gebeten.

Konzept downloaden
Tagungsprogramm downloaden