krypta der colónia güell

© rainer graefe

rainer graefe

rekonstruktion von antoni gaudís unvollendeter kirche in der colónia güell

1998 – laufend

In Kooperation mit Dr. Leonid Demjanov (MARCHI Moskau), gefördert vom Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank Wien, der CAM-Caja Mediterraneo, Alicante und vom Vizerektorat für Forschung der Universität Innsbruck. 

Die Kirche für die Arbeitersiedlung Colonia Güell stellt eine der bedeutendsten Arbeiten des katalanischen Architekten dar. Nur das Untergeschoss mit Krypta waren gebaut, als 1914 die Bauarbeiten wegen Geldmangels eingestellt werden musste. Die Planungen für die eigentliche Kirche, die darüber hätte errrichtet werden sollen, sind verloren. 1984 hat Rainer Graefe zusammen mit Jos Tomlow und Arnold Walz eine Rekonstruktion des berühmten Hängemodell erstellt, mit dessen Hilfe die Kirche entworfen worden ist. Dieser Rekonstruktion bildet die Grundlage für eine komplexe Untersuchung, in welcher der Kirchenentwurf genauer erfasst und erstmals ganzheitlich dargestellt wurde.

Untersucht wurden das historische Hängemodell anhand der erhaltenen Fotos, die erwähnte Rekonstruktion dieses Hängemodells und die bereits ausgeführten Teile des Gebäudes. Versucht wurde, in einem äußerst komplexen Prozess alle verfügbaren Quellen möglichst genau zu erfassen, neu zu interpretieren und schlüssig zu verbinden. Voraussetzung für den Erfolg war die konsequente Nutzung aller modernen und traditionellen Verfahren der Formerfassung und Bauforschung. Es gelang, die historischen Modellfotos photogrammetrisch auszuwerten (Prof. Klaus Hanke, Dipl.-Ing. Michael Moser). In zahlreichen Näherungsschritten wurden die Befunde an den bereits ausgeführten Teilen des Gebäudes einerseits und am historischen Hängemodell andererseits miteinander harmonisiert.

Die Gesamtstruktur des rekonstruierten Kirchenprojekts (einschließlich erstmals erkannter diverser Entwurfsphasen) wurde in zwei aufwendigen Modellen im Maßstab 1:25, in einer Serie präziser Handzeichungen (Bleistift auf Karton, Maßstab 1:100) und in einem digitalen 3D-Modell dargestellt, welche eine Rekonstruktion von beeindruckender Komplexität wiedergeben. Auf Grundlage des digitalem 3D-Modells konnte ein drittes 1:25-Modell in der CNC-Fräse gefertigt werden, welches die rekonstruierte Kirche vollständig wiedergibt.

Die Rekonstruktion gibt Gaudis Kirchenentwurf erstmals ganzheitlich und mit großer Genauigkeit wieder. Die herausragende Bedeutung dieses Entwurfs in der europäischen Entwicklung wird damit deutlich. Das neue Bild der Kirche erfordert eine grundlegend neue Wertung und Würdigung. Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit sind in einer Dauerausstellung im Diozösan-Museum in Barcelona präsentiert, eine erste Veröffentlichung (viersprachiger Katalog) ist erschienen, eine umfangreiche Buchveröffentlichung ist in Vorbereitung.