turin, palazzo carignano

© elmar kossel

elmar kossel

turin - florenz - rom. italien und die wandernde hauptstadt. ein sonderfall der nationalen einigung im 19. jahrhundert

laufend
habilitationsprojekt

Das Habilitationsprojekt untersucht die im europäischen und internationalen Vergleich einzigartige Tatsache, dass das Königreich Italien von seiner Gründung 1861 bis zur Einnahme des Kirchenstaates 1871 drei Hauptstädte hatte. Im Vordergrund der Untersuchung stehen die städtebaulichen Eingriffe und Schlüsselbauten, die der jeweiligen capitale ein hauptstädtisches Gepräge verleihen und sie an die neuen Erfordernissen anpassen sollten.

Das Italien des 19. Jahrhunderts präsentierte sich als ein Konglomerat von Königreichen und Fürstentümern, in denen sowohl starke regionale Eigenheiten zum Tragen kamen als auch die Einflüsse fremder Mächte präsent waren, so dass von einem »italienischen Nationalbewusstsein« keine Rede sein konnte. Um dieser Heterogenität zu begegnen, wurden in den drei Hauptstädten Turin, Florenz und Rom zahlreiche kulturelle, städtebauliche und architektonische Projekte initiiert, um die Geschichte der jeweiligen Stadt für eine nationale, gesamtitalienische Sache fruchtbar zu machen. Der Umgang mit der jeweiligen Stadtgestalt differierte zum Teil erheblich: Turin war als die angestammte Hauptstadt und Residenz der Savoyer bereits seit dem 18. Jahrhundert entfestigt und mehrfach planvoll erweitert worden und hatte mit verschiedenen städtebaulichen Eingriffen sowie Schlüsselbauten seinen Status als gesamtitalienische Hauptstadt zu unterstreichen versucht. Florenz wurde zwar durch die Entfestigung und die zahlreichen Baumaßnahmen Giuseppe Poggis am deutlichsten überformt und erweitert, deren Charakter als Hauptstadtplanungen sind aber gleichzeitig am wenigsten ablesbar, da fast alle Funktionen in bestehende Gebäude integriert wurden. 1871 endete mit der Einnahme des Kirchenstaates der Zwischenhalt in der Toskana und Rom konnte als »mythische Hauptstadt« für das Königreich in Besitz genommen werden; das päpstliche Erbe blieb jedoch sowohl städtebaulich als auch als »römische Frage« für den jungen Nationalstaat als Problem virulent.

Das Habilitationsprojekt widmet sich den städtebaulichen Maßnahmen und architektonischen Schlüsselbauten der jeweiligen Hauptstadt und untersucht die Strategien, die für die Herausbildung einer gesamtitalienischen Identität dabei erprobt wurden.