Zum Forschungsprofil des Arbeitsbereichs Baugeschichte und Denkmalpflege gehören die vier Schwerpunkte Historische Bauforschung, Bautechnikgeschichte, Italienforschung und Grenzraumforschung. Alle Forschungsschwerpunkte erfahren einen entscheidenden Mehrwert durch das am Arbeitsbereich tätige interdisziplinäre Team aus ArchäologInnen, ArchitektInnen, BauforscherInnen und KunsthistorikerInnen, durch deren nationale und internationale Vernetzung sowie durch die Einbindung der StudentInnen mit Masterarbeiten und Dissertationen im Sinne einer forschungsgeleiteten Lehre – die Auseinandersetzung mit historischer Architektur dient auch der Reflexion über das heutige Bauen.

Historische Bauforschung

Die Historische oder Archäologische Bauforschung versteht das Bauwerk selbst als Quelle seiner Geschichte. Ihre Methode ist die Bauaufnahme, das sorgfältige Beobachten, Vermessen, Zeichnen und Beschreiben des Bauwerks einschließlich aller, auch zunächst unbedeutend erscheinender Einzelheiten – analytisch, steingerecht und formgetreu. Mit der Bauaufnahme kann es gelingen, die Baugeschichte eines Bauwerks, seine Entstehung und seine späteren Veränderungen ebenso zu verstehen wie die Entwurfsvorstellungen und das Konstruktionsverständnis von Bauherr und Baumeister. Ergänzt wird die Bauaufnahme durch – soweit vorhanden – das Studium schriftlicher und bildlicher Quellen wie Urkunden und Bauakten, historische Pläne, Ansichten und Fotografien.

Die Historische Bauforschung bildet eine wesentliche Grundlage für die zeichnerische Rekonstruktion und die Einordnung eines Bauwerks in seinen kulturellen Kontext sowie für die bauliche Denkmalpflege. Durch die präzise Beobachtung und Analyse historischer Architektur trägt sie zur Beantwortung der Fragen bei, die den komplexen Rahmenbedingungen der Entstehung von Architektur nachgehen: Fragen nach dem politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Umfeld, nach Urheberschaft und ideologischer Begründung des Entwurfs, nach den materiellen und bautechnischen Ressourcen.

Bautechnikgeschichte

Die Geschichte der Bautechnik hat bereits im Kontext der Historischen Bauforschung einen hohen Stellenwert besessen und sich in den letzten Jahren zu einem eigenständigen und vielfältig vernetzten Forschungsfeld entwickelt. Ihr besonderes Interesse gilt den historischen Konstruktionsweisen, den Prozessen des Planens und Ausführens im Bauwesen zwischen Handwerk und Wissenschaft, zwischen Tradition, Invention und Innovation. Die Bautechnikgeschichte ist interdisziplinär angelegt und eingebettet in technische, herstellungspraktische und materialkundliche, aber auch wissenschafts- und wirtschaftsgeschichtliche Zusammenhänge. Die Kombination ingenieurwissenschaftlicher Arbeitsweisen mit Methoden der Geisteswissenschaften ermöglicht neue Einsichten und bildet eine wesentliche Grundlage für die Erhaltung historischer Bauten, insbesondere für die Konservierung, Restaurierung und Ertüchtigung historischer Konstruktionen.

Am Arbeitsbereich Baugeschichte und Denkmalpflege hat Rainer Graefe mit seinen Forschungen zur Geschichte des Konstruierens, zu Antonio Gaudí und Vladimir Šuchov einen Schwerpunkt in der Bautechnikgeschichte gesetzt, der bis heute fortgeführt wird.

Italienforschung

In Zeiten zunehmender Globalisierung auch der Wissenschaft spielt die Italienforschung, die thematisch breit gefächerte Auseinandersetzung mit der Architektur- und Baugeschichte der italienischen Halbinsel und ihrer ehemaligen Kolonien, nach wie vor eine elementare Rolle. Der zeitliche Rahmen der Forschungsprojekte reicht vom frühen Mittelalter bis in das 20. Jahrhundert, von der Architekturtheorie der Neuzeit zu Leben und Werk von Architekten der Moderne, von der komplexen Baugeschichte herausragender Einzelbauten bis zur städtebaulichen Entwicklung historischer Zentren Italiens bis in die Moderne.Größter Wert kommt dabei einer sorgfältigen Quellenforschung am Objekt selbst wie auch im Archiv zu. Neben den traditionellen architekturhistorischen Werkzeugen dienen die methodischen Ansätze benachbarter Fachbereiche, etwa der Kunstgeschichte, Kulturwissenschaft und Philologie, die methodische Herangehensweise auf interdisziplinärer Ebene auszubauen um kritische Neubewertungen zu ermöglichen. Im Zentrum steht die vertiefte Auseinandersetzung mit dem historisch ständig im Wandel befindlichen geopolitischen Kontext, sodass die Bedeutung der einzelnen Forschungsobjekte vor dem breiten Horizont der Architekturgeschichte präzise bewertet werden kann.

Grenzraumforschung

Einen vergleichsweise jungen Forschungsschwerpunkt bilden die Forschungen zu den europäischen Grenzräumen, also zu Territorien, die im Verlauf ihrer Geschichte zumeist aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen ihre nationale Zugehörigkeit gewechselt haben. Hierzu zählen das Elsass mit dem Zentrum Straßburg/Strasbourg, das zwischen 1870/71 und 1945 viermal zwischen Frankreich und Deutschland wechselte und als Schauplatz deutsch-französischen Kulturtransfers begriffen werden kann. Eine historische Parallele bildet Posen/Pozna?, das ebenso wie Straßburg/Strasbourg mit einem Kaiserpalast und ausgedehnten Stadterweiterungen als Manifestation der neuen Machtverhältnisse und des imperialen Anspruchs ausgestattet wurde. Im Fokus der Grenzraumforschung steht darüber hinaus Italien, das seit dem Ende des Ersten Weltkriegs mit Südtirol und dem Trentino, Triest und Istrien bedeutende Gebietsgewinne verzeichnen konnte. Diese mit Ausnahme Südtirols mehrheitlich italienischsprachigen Gebiete erfuhren eine tiefgreifende Italianisierung, die während des faschistischen Ventennio noch weiter forciert wurde.

Die Grenzraumforschung ist interdisziplinär angelegt und kombiniert traditionelle architekturhistorische Methoden mit methodischen Ansätzen aus Geschichte, Kunstgeschichte und den Kulturwissenschaften.