Siena, Baptisterium, Gefangennahme Johannes des Täufers, Lorenzo Ghiberti, 1427

© Klaus Tragbar

ekkehard drach

anamorphes. ein neuer blick auf lorenzo ghibertis arbeit zur perspektive

ruhend

in kooperation mit klaus hanke (innsbruck), opera della metropolitana (siena)

Eine der beiden Bronzetafeln, die Lorenzo Ghiberti 1427 für das Taufbecken im Baptisterium des Doms in Siena schuf  – die Gefangennahme Johannes des Täufers –, weist einige perspektivische Merkwürdigkeiten auf. Die Arkadenarchitektur im Hintergrund, vor bzw. in der die Figuren agieren, erscheint zwar zunächst regelmäßig und symmetrisch, gleichzeitig wird diese Ordnung durch asymmetrische Knicke in der Fassade gebrochen.

Betrachtet man das Relief jedoch in Schrägansicht, scheint der Widerspruch von Symmetrie und Asymmetrie aufgehoben: Die Knicke werden verkürzt gesehen und geben sich als symmetrische Flügel einer klassisch konzipierten Architektur zu erkennen. Damit wäre die Szene als Anamorphose anzusprechen – die es jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht geben dürfte.

Zu fragen ist nun, ob sich die anamorphotische Projektion bestätigen und in einem geometrischen Modell beschreiben lässt. Dazu soll das Taufbecken mit seinen Tafeln photogrammetrisch dreidimensional vermessen und ein digitales Modell erstellt werden.

Parallel dazu ist zu klären, ob die Rolle Ghibertis als Wegbereiter zentralperspektivischer Projektion vor Brunelleschi und Albertis »De pictura« neu bewertet werden muss.